Familientreffen in Filzmoos (Salzburger Land)
26. – 29. Mai 2022. Seit der 1990er treffen sich im 3jährigen Turnus an Christi Himmelfahrt (Vatertag) die Hofer-Nachfahren am verlängerten Wochenende im damaligen Heimatort. Zum einen ist ein Familien-Treffen immer etwas spannendes, zum anderen gilt es, an die Geschichte zu erinnern. Zu groß, zu stark sind die Parallelen in der heutigen Zeit.
1732 wurden 2/3 der Bevölkerung als unerwünschte Potestanten durch den Erzbischof von Salzburg, Famian, mit militärischer Gewalt aus dem Land getrieben, im Winter, mit Kiindern über verschneite Pässe, ohne Rücksicht auf Verluste. Sogar ohne Rücksicht auf eigene Verluste, denn durch die Migration kam es bei den Verbliebenen natürlich zu starken wirtschaftlichen Rückschlägen. Denn auch 2/3 der Höfe standen plötzlich leer. Auch 2 der 3 Brüder, die auf dem Oberhof lebten, entschieden sich zur Migration. Der Tross der Flüchtlinge ging über Bayern (auch damals schon mit strengen Grenzkontrollen) Richtung Ostpreußen, dort gab es eine Einladung des Preußenkönigs, weil die Pest gerade gewütet hatte. Der Dritte „konvertierte“, konnte den Oberhof behalten und als sein direkter Nachfolger begrüßte uns Christian Salchegger am Oberhof. Nur am Rande sei erwähnt, dass diese Hofer-Nachfahren 1945 durch das Ende des Weltkriegs eine neue Vertreibung, jetzt aus der Heimat Ostpreußen, zu erleiden hatten (so wie Marinas Vater und ihre Oma). Weitere Einzelheiten könnt Ihr unserer Reise zum letzten Treffen 2018 entnehmen –> hier.
In diesem Jahr kamen ca. 40 Hofer-Familien-Angehörige aus ganz Deutschland zusammen, ein junger Mann war sogar aus Brasilien angereist; weniger als bei den letzten Treffen, geschuldet der Corona-Pandemie zum einen, aber auch altersbedingt. Viele können den Weg nicht mehr auf sich nehmen, einige sind inzwischen gestorben. Am ersten Abend kamen alle im Restaurant Hanneshof zusammen, viele neue und alte Geschichten, aber auch neues Kennenlernen, zumal in diesem Jahr viele „junge“ Nachfahren dabei waren.
Am Freitag wartete, auch schon traditionell, ein von Martin Dietrich (der seit den 90ern und heuer mit 84 Jahren noch immer dieses Familientreffen organisiert, incl. Busanreise, Ausflüge, Kontakte zu den Örtlichen usw.) geplanter Ausflug mit dem Bus in die Nachbarschaft. Einerseits um neues zu erleben, andererseits auch, um dem Thema „Migranten“ einen Blick zu geben. In diesem Jahr ging es durch den Bezirk Pongau, zu dem auch Filzmoos gehört. In Schwarzach konnten wir das Tauern-Eisenbahn-Museum besuchen, mit vielen Hintergründen zum Bau und Betrieb in den über 100 Jahren des Bestehens; genauso kam aber auch das Thema der Migration zur Sprache, sehr gut dargestellt vom für Bildungsfragen zuständigen Bezirksbeamten. Denn auch in den anderen Ortschaften des von Pongau, aber auch vom benachbarten Pinzgau, wurden damals Hunderte Menschen vertrieben, wegen ihres protestantischen Glaubens, der den Obrigen durch die „aufrührerischen Schriften Luthers“ in ihrem Machterhalt zuwider lief.
Nach einem langen Tag wartete das gemeinsame Abendessen in der „Bischofsmütze“ auf uns. Wir hatten uns dazu mal ein wenig der dortigen Kleiderordnung angelehnt 🙂
Normalerweise ist der Samstagmorgen frei, zur freien Verfügung. In diesem Jahr gab es noch einen ganz besonderen Ausflug zu dem neu installierten Toleranzberg mit seinem Toleranzweg. Auch dieses Vorhaben hat Christian Salchegger zusammen mit seinem verwandten Christian Salchegger vom benachbarten Bögrainhof angeschoben und mit fachkundiger Unterstützung verwirklicht. Sehr viele Filzmooser Bürger*innen haben heute gar keinen Bezug zu den Migranten und somit auch kein Wissen um diese Tragödie in ihrer Geschichte. Bei anderen lastet dies als schwarzer Schatten aus der Vergangenheit und dieses Projekt soll helfen, das aufzuarbeiten.
Genauso traditionell wie das gesamte Treffen ist der Ausflug am Samstag zur Oberhofalm, normalerweise mit einem Fußmarsch 90 Min. bergauf; in diesem Jahr war das Wetter grauselig, unter 10 Grad, Regen, starke Windböen, so dass auch wir den Bus benutzt haben. Nach einer kleinen Andacht im Kreise der Familie in der von Hanni & Christian Salchegger gebauten Kapelle oberhalb der Oberhofalm (s. hier) gab es in der Almhütte einen sehr geselligen Nachmittag. Überraschungsgäste waren drei Musiker, die eigentlich vom benachbarten Bauernhof kamen, der Vater mit Gitarre, die Söhne (14 und 17) mit Akkordeon und Zugposaune. Klar, nicht unsere bevorzugte Musik, aber live und in der Umgebung von Alm und Bergen ein tolles Erlebnis. Filzmoos ist wohl bekannt für die Musikalität der Einwohner.
Für uns war es wieder ein sehr erkenntnisreiches Wochenende. Dafür ein herzliches Dankeschön an Martin Dietrich, der nicht nur Organisator war, sondern durch sein fundiertes Wissen rund um die Region und die Geschichte ganz wertvolles Wissen vermitteln kann. Uns stellt sich dann immer die Frage: Warum muss sich in der Menschheitsgeschichte solches Leid wegen Banalitäten (sorry: mehr als banal ist Kirche nun wirklich nicht) immer wieder von neuem ergeben?
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